Ob Gesundheitsvorsorge, Therapie, Coaching, Erziehung, Management, Leadership oder einfach Well-Being: Der wissenschaftliche und angewandte Blickwinkel der „Positiven Psychologie“ ist gefragt. Es geht um Aufblühen statt Mittelmaß, um Gestaltung der Zukunft statt Bewältigung der Vergangenheit. Neueste Theorien und die aktuellsten Tools, das bot die Positive Psychologie Tour 2016.
Den Anfang machte Hamburg mit dem Zwei-Tages- Symposium „The Cutting Edge of Positive Psychology – Brennpunkte der Positiven Psychologie“ im Juli 2016.
Seit fast 10 Jahren begleiten wir Menschen und Organisationen bei Haltungsänderungen und der Stärkung der Potenziale und Ressourcen. Eine wesentliche Grundlage ist die 24h Herzratenvariabilitäts-Analyse. Was sich immer wieder zeigt, Menschen, die sich selbst als „ich bin glücklich“ beschreiben, meist sehr gute Ergebnisse der 24h –Analyse aufweisen. Das wurde im Rahmen des Kongresses oftmals bestätigt:
Die Erfahrung von Glück bzw. Wohlbefinden wirkt leistungssteigernd!
Glückliche Menschen…
- sind gesünder
- haben bessere Beziehungen
- verdienen mehr
- sind kreativer
- lernen schneller
- arbeiten besser mit anderen zusammen
Besonders eindrucksvoll waren die Studienergebnisse von Barbara Fredrickson „Die Macht der positiven Gefühle“
Wenn die sympathische und weltweit anerkannte Psychologin Barbara Fredrickson auf ihrem Weg zur Universität von North Carolina (USA) ist, dann verbreitet sie bereits eine Botschaft. Denn ihr Autokennzeichen lautet „Be open“. Und nicht etwa „Be positive“, denn das kann schnell krampfhaft werden. „Pursuing positivity is a delicate art (sinngemäß: Positivität zu verfolgen ist eine heikle Kunst)“ schlussfolgert sie.
Die Forscherin konnte beweisen, dass positive Emotionen einerseits die Wahrnehmung physiologisch und damit die Aufmerksamkeit erweitern können („Broaden“) und dass positive Gefühle andererseits Fähigkeiten und persönliche Ressourcen aufbauen können („Build“).
Beim Erweitern von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit führen Botenstoffe im Gehirn, die beim Erleben von positiven Gefühlen freigesetzt werden dazu, dass wir von dem, was gerade da ist, mehr erkennen, verarbeiten und miteinander verbinden können. Dadurch steigt unsere geistige Flexibilität, unsere Kreativität und Resilienz an und unsere Wahrnehmung der Umwelt wird „sozialer“, sodass wir ein stärkeres „wir“-Gefühl erleben und wir uns besser in andere hineinversetzen können.
Diese „sozialere“ Wahrnehmung der Umwelt wird von Fredrickson als Grundlage unserer Fähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen betrachtet. Hierfür verwendet sie den Begriff „Liebe“, dessen wissenschaftlichen Nutzen sie erstmals in ihrem neuen Buch mit dem Titel Liebe 2.0 belegt. Unter Liebe versteht Fredrickson jedoch im Gegensatz zu unserer üblichen Auffassung dieses Begriffs eine zwischenmenschliche Erfahrung, die darin besteht, dass zwei oder mehr Menschen kurzzeitig
mehr geteilte positive Emotionen erleben
verhaltensbezogene Synchronizität zeigen (d.h., Körperbewegungen, Gestik und Mimik gleichen sich an) und
mehr Interesse aneinander bzw. Achtsamkeit oder Fürsorge füreinander erleben.
Liebe, wie Fredrickson sie definiert, stellt damit eine positive gegenseitige Resonanz zwischen Menschen dar. Die Forscherin bezeichnet sie außerdem als eine von 10 positiven Basisemotionen, die zugleich als eine Mischung aus mehreren dieser positiven Gefühle zu verstehen ist. Die anderen 9 Basisgefühle stellen Freude, Dankbarkeit, Zufriedenheit bzw. Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen, Inspiration und Ergriffenheit bzw. Ehrfurcht dar.
In der Arbeitswelt kann diese positive Resonanz zwischen Menschen z.B. in einer beflügelnden, sich gegenseitig unterstützenden Begegnung mit einem Kollegen oder in einem stärkenden und verbindenden Teamerlebnis bestehen. Die Voraussetzung dafür ist jedoch das Vorhandensein des Gefühls der Sicherheit sowie die Möglichkeit, eine Verbindung zu einer anderen Person per Blick-, Körper- oder stimmlichen Kontakt herstellen zu können. Denn wenn wir uns sicher fühlen, erweitern sich unsere Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten und wenn wir uns mit jemandem verbunden fühlen, begünstigt dies ein „auf einer Wellenlänge schwingen“ mit dem Gegenüber.
Für das Aufbauen von Fähigkeiten und Ressourcen durch positive Emotionen, ist es gemäß Barbara Fredricksons Broaden & Build-Theorie notwendig, dass wir positive Gefühle möglichst häufig und regelmäßig erleben, sodass diese sich akkumulieren können, während die Gefühlsintensität dafür weniger ausschlaggebend ist. Fähigkeiten und Ressourcen schließen hierbei alle Teilbereiche unseres Erlebens und Verhaltens mit ein: körperliche, psychische, soziale, intellektuelle und emotionale. Auf der körperlichen Ebene konnte Fredrickson nachweisen, dass ein häufiges Erleben positiver Gefühle starke Effekte auf die Gesundheit hat, wobei sich insbesondere das Herzkreislaufsystem, die Antikörperproduktion sowie die antivirale Abwehr verbessern und sich Entzündungsreaktionen verringern.
Menschen, die mindestens 3-mal so häufig positive Gefühle wie negative (Emotionsverhältnis > 3:1) erleben, werden von Fredrickson als aufblühende („flourishing“) Menschen bezeichnet. Aufblühende Personen erleben nicht weniger negative Emotionen, sondern erleben positive Gefühle stärker und länger und leiden weniger lang unter den Belastungen durch negative Emotionen. Bei Menschen, die häufiger positive Gefühle erleben, entwickelt sich außerdem ein sich selbst verstärkender Aufwärtskreislauf aus positiven Emotionen.
Doch wie können nun positive Gefühle im Alltag verstärkt werden? Als eine Möglichkeit dafür, nannte Fredrickson in ihrem Workshop die sogenannte Loving-Kindness-Meditation – eine klassische Meditationstechnik, bei der Achtsamkeit mit dem Erleben von Freundlichkeit und Zuneigung anderen Menschen und sich selbst gegenüber verbunden wird. Für die Wirksamkeit dieser Meditationsform ist es jedoch entscheidend, dass sie in kurzen, aber regelmäßigen Phasen (z.B. jeden Tag 5-10 Minuten lang) praktiziert wird
(Anleitungen dazu finden Sie http://www.positivityresonance.com/meditations.html).
Die zweite Empfehlung, die Barbara Fredrickson zur Vermehrung positiver Emotionen im Alltag gab, ist es, positiven Gefühlen im Allgemeinen den Vorrang zu geben. Dies kann uns gelingen, indem wir uns z.B. in Entscheidungssituationen, wie für die Freizeitgestaltung, für diejenigen Alternativen entscheiden, die die meisten positiven Emotionen versprechen. Des Weiteren rät die Forscherin, positive Gefühle, wenn sie einmal da sind, bewusst zu genießen. Abschließend empfiehlt sie, zu versuchen, Wertschätzung, Zuneigung und Anerkennung anderen Menschen gegenüber authentisch auszudrücken.
„Menschen sind nicht glücklich, weil sie erfolgreich sind,
sondern erfolgreich, weil sie glücklich sind.“
(Sonja Lyubomirsky, University of California)
Literatur von Barbara Fredrickson:
Barbara L. Fredrickson (2011): Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung ihr Leben dauerhaft verändert. Campus Verlag.
Barbara L. Fredrickson (2014): Die Macht der Liebe. Ein neuer Blick auf das größte Gefühl. Campus Verlag.
Teil 2 von Barbara Posch folgt im nächsten Newsletter
Quellen:
Vortragsunterlagen zur Verfügung gestellt von B. Fredrickson
Sabine Piotrowski (2014): Kongress mit Barbara Fredrickson / Mehr Liebe am Arbeitsplatz? (http://www.hrweb.at)