Am 27. April war Prof. Cameron Newton von der Queensland University of Technology (QUT) aus Australien mit einem spannenden Vortrag zu den neuesten Erkenntnisse der HRV-Studien in der Organisationspsychologie zu Gast bei AUTONOM TALENT®.
Stress bedeutet für jeden Menschen etwas Anderes. Das ist nicht NEU, jedoch benötigt es einen modernen Zugang zu den aktuellen Herausforderungen wie z.B. zunehmender Digitalisierung.
Vor 50 Jahren hat der österreichisch-kanadische Forscher Hans Selye den Begriff Stress in die Psychologie eingeführt, um die Reaktion von biologischen Systemen auf Überforderung zu beschreiben. Stress ist ein Symbol für Belastung ganz allgemein geworden. Ursprünglich sollte der Begriff nur beschreiben, was im Körper passiert, wenn er belastet wird. Die Stressreaktion des Körpers ist an sich nicht gesundheitsschädigend und der phasenhafte Verlauf wird manchmal eher als angenehm und leistungssteigernd erlebt.
Psychologische Stressreaktionen sind von der individuellen Sichtweise und Wahrnehmung der Umwelt abhängig und somit an die kognitive Bewertung des Stressfaktors gebunden. Die kognitive Bewertung kann in drei Formen ablaufen, die jeweils unterschiedliche Funktionen haben.
Die Primärbewertung bezieht sich auf jede Auseinandersetzung mit der Umwelt in Hinblick auf das Wohlergehen der betreffenden Person. In der Sekundärbewertung werden persönliche Ressourcen und Auseinandersetzungsmöglichkeiten bzgl. der Stresssituation vom Individuum eingeschätzt. Anschließend kann es nun zu einer Neubewertung kommen, die zu einer Umdeutung der Person-Umwelt-Beziehung führt. Diese kann durch aktives Eingreifen in die Situation oder durch kognitive und emotionale Auseinandersetzung erfolgen.
Prof. Newton stellt uns eine neue Definition vor. Richard Blonna (2006) geht von einem ganzheitlichen Ansatz aus: “Stress is a holistic transaction between an individual and a potential stressor resulting in a stress response” (Blonna). Stressoren können berufs- bzw. rollenbedingt, sozial, emotional oder persönlich sein.
Prof. Newton führte weiters aus, dass gezielte Intervention im Anschluss einer objektiven Messung der Herzratenvariabilität enorme Auswirkungen auf einen förderlicheren und besseren Umgang mit Belastung und Stressreaktionen haben.
Die Herzratenvariabilität (HRV) ist die Fähigkeit des Herzens, den zeitlichen Abstand von einem Herzschlag zum nächsten laufend zu verändern und sich so flexibel ständig wechselnden Herausforderungen anzupassen. Die Regelmäßigkeit des Herzschlages hängt vom Wechselspiel von Sympathikus und Parasympathikus ab.
Der menschliche Organismus ist den ganzen Tag über einer Flut von sich ständig verändernden Umweltanforderungen ausgesetzt. Unsere Leistungsfähigkeit hängt in enger Weise von seiner Möglichkeit ab, den Körper auf die Anforderungen akuter Belastungsphasen (Sympathikus) einzustellen und auch nach Abklingen dieser Phasen wieder in einen entspannten Ruhezustand (Parasympathikus) zu kommen. Ziel ist, eine optimale Balance zu finden, um den Alltag leistungs- und erholungsfähig zu meistern.
Eine Langzeitstudie der QUT, bei der dreimal eine HRV-Messung durchgeführt wurde, zeigt deutlich, dass bei TeilnehmerInnen, die ein auf der HRV-Messung abgestimmtes Interventionsprogramm durchführten, die Werte für Anspannung und Erholungsfähigkeit signifikant verbessert wurden. Weiters wurde anhand von 14 Fragen gemessen, wie hoch das Vertrauen in die HRV-Analyse und an das Programm war und wie sich das auf die Arbeitszufriedenheit auswirkt. Diejenigen, die der Messung vertrauten und Maßnahmen umsetzten, wiesen nach dem Programm eine deutlich höhere Arbeitszufriedenheit auf, wohingegen bei den anderen die Arbeitszufriedenheit sank.